Die Race-Saison 2025 begann – und zwar gleich mit einem echten Paukenschlag. Doch von vorn…
Seitdem bekannt wurde, dass das Race Around Niederösterreich (RAN) in diesem Jahr zugleich Austragungsort der Ultracycling-Europameisterschaft ist, stand für mich fest: Da will ich nochmal an den Start. Die Strecke wurde für die EM nochmal anspruchsvoller gestaltet – ein zusätzlicher Reiz für mich und mein Team. Die Strecke wurde von 600km mit 6000hm auf 750km mit 8000hm erweitert. Ende letzten Jahres fiel dann gemeinsam die Entscheidung: Wir gehen es an. Klare Ziele wurden definiert, und die monatelange, fokussierte Vorbereitung begann. Acht intensive Monate voller Training, Planung und Taktik sollten reichen…
Wie schon bei meiner ersten RAN-Teilnahme wählten wir wieder dieselbe Unterkunft – etwas außerhalb, ruhig gelegen, perfekt zum Abschalten. Am Donnerstagmorgen traf mein Team bei mir ein, das PaceCar wurde routiniert gepackt, und los ging’s Richtung Weitra. Schon beim Check-in begegneten uns bekannte Gesichter, es wurde kurz gefachsimpelt, bevor wir die Startunterlagen abholten. Der technische Check des Fahrzeugs fand direkt am Sportplatz statt – alle EM-Teams waren versammelt, die Stimmung freundschaftlich, herzlich, wie ein großes Wiedersehen nach dem Winter. Die Abnahme verlief reibungslos, und nach einem letzten Material- und Strategiedurchgang in der Unterkunft hieß es: Schlafen und Kräfte sammeln.
- HERBERT NEUBAUER
Freitag, 8:38 Uhr – Startnummer 755
Wir waren eines der ersten Teams am Start. Während meine Crew die letzten Vorbereitungen traf, ließ ich mich von ein wenig Punk Rock auf dem MP3-Player nochmal richtig wachrütteln. Im Vorstartbereich bekam ich den GPS-Transponder, dann ging es auf die Bühne zum letzten Interview – und um Punkt 8:38 Uhr fiel der Startschuss. Es ging los!
Den EM-Loop hatte ich strategisch in zwei Teile gegliedert, mit einem geplanten Radwechsel unterwegs. Der Plan ging auf: mit geringem Krafteinsatz erreichte ich Weitra erneut, pünktlich im Zeitlimit. Das Wetter war zunächst noch okay – windig, aber trocken. Doch beim Verlassen der Stadt war schon zu erkennen: Das bleibt nicht so. Es wurde bald ungemütlich.
Meine Crew bereite erneut einen Radwechsel vor – zurück aufs Zeitfahrrad, und mit Dampf ging’s weiter Richtung Wiener Neustadt. Dann kam der Regen. Und zwar nicht ein bisschen, sondern in Form massiver Wolkenbrüche. Überraschenderweise machte mir das Wetter nichts aus. Ich hielt meine geplanten Wattwerte diszipliniert ein, fuhr Stunde um Stunde, Kilometer um Kilometer. Die Nacht brach herein, die Wildwechsel häuften sich.
Gegen Mitternacht wurde mir übel – mein Körper wollte keine Nahrung mehr. Ich zwang mich trotzdem, weiterhin stündlich Kohlenhydrate aufzunehmen. Doch gegen 2 Uhr nachts war der Punkt erreicht: Ich brauchte eine Pause. Die war zwar noch nicht geplant, aber ich musste runter vom Rad. Ein kurzer Powernap war geplant – schlafen konnte ich allerdings nicht. Also ging es weiter. Nur: Die Wattzahlen waren mittlerweile im zweistelligen Bereich. Die Kälte setzte mir zu. Hände und Füße schmerzten, der Energieverlust war spürbar.
Am Horizont wurde es langsam hell, aber der Körper war am Limit. Vor dem Semmering ging es mir richtig mies. Übelkeit, Müdigkeit, Hunger – ein unschönes Trio. Kurz vor dem Anstieg versuchte ich mich zu übergeben, doch ohne Erfolg. Es half nichts: Zähne zusammenbeißen und rauf.
Irgendwie schaffte ich es auf den Semmering – das war mein persönlicher Wendepunkt. Ich wusste: Wenn ich da raufkomme, schaffe ich auch den Rest des Rennens.
Ich begann wieder, feste Nahrung zu essen. Und merkte: Die Kraft kam zurück. Die Wattwerte kletterten, es ging weiter Richtung St. Aegyd zum Pflichtstopp mit Interview. Die ganz große Leichtigkeit war noch nicht zurück, aber es lief wieder rund. Und plötzlich – kurz vor Ybbs – war ich zurück. Ich fühlte mich wohl, die Zahlen passten, der Motor lief rund. Die letzten Stunden Richtung Weitra wurden zu einem echten Finale furioso. Ich konnte noch einige Kontrahenten überholen, meine Crew war begeistert, wie viel Dampf da plötzlich wieder kam.

HERBERT NEUBAUER
Nach 34 Stunden und 43 Minuten überquerte ich die Ziellinie – Platz 17 bei der EM. Es war eine Fahrt durch Höhen und Tiefen, durch Kälte, Regen, Müdigkeit und mentale Löcher. Aber auch durch Willen, Teamgeist und einen ungebrochenen inneren Motor.

HERBERT NEUBAUER