Skip to main content

12h-Rennen – das ist ja Kurzstrecke für dich

„12h-Rennen, das ist ja Kurzstrecke für dich“ – genau das bekomme ich oft zu hören, wenn ich mal wieder von meinen 24h-Rennen auf die 12h-Distanz wechsle. Ja, 12 Stunden sind deutlich kürzer – manch gewiefter Analyst würde sogar sagen: halb so lang.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es auch leichter wird. Dafür gibt es zwei gute Gründe:
Zum einen gibt es zahlreiche Marathonfahrer, die genug Biss und Power haben, um 12 Stunden durchzuziehen. Die Konkurrenz ist also sowohl in Quantität als auch in Qualität deutlich stärker.
Zum anderen ist mein starker Moment die Nacht – genau dann, wenn andere Fahrer pausieren oder aussteigen. Diese „zweite Rennhälfte“ fällt bei einem 12h-Rennen jedoch weg.

 

Dass ich die 12 Stunden trotzdem beherrsche, habe ich bereits bewiesen: 2022 feierte ich hier in Külsheim zusammen mit zwei Teammates einen Dreifachsieg.

Nun bin ich also wieder hier. Begleitet von meinen beiden Töchtern und meiner Frau Pamela schlagen wir unser Fahrerlager direkt an der Strecke auf – nahe dem Militärübungsplatz, über den das Rennen führt.

Die Nacht war gut – nur mein Magen ist vor dem Rennstart übermäßig nervös. Die Mädels füllen ein Planschbecken mit Wasser – die Quelle, um später überhitzte Biker mit der Wasserpistole abzukühlen. Die Bikes sind gecheckt, die Ernährungsstrategie besprochen – um 9 Uhr fällt der Startschuss zum 12h-Rennen Külsheim.

Der Mann mit dem Hammer

Leider kann ich schon in der ersten Runde das Tempo der Fahrer, mit denen ich mich messen wollte, nicht mitgehen. Als alter Hase weiß ich: Diese Rennen sind lang, in 12 Stunden kann viel passieren. Also konzentriere ich mich auf meine eigene Pace und meine Wattzahlen.

Schon zu Beginn ist es unglaublich heiß – nicht überzupacen ist jetzt das A und O.

Die ersten 2,5 Stunden läuft alles gut. Ich fahre konstant 37er Rundenzeiten. Doch in Runde 5 kommt der Mann mit dem Hammer. Mit 39 Minuten bin ich plötzlich 2 Minuten langsamer – ich habe Kopfschmerzen, brennende Beine, Rückenschmerzen. Mein Körper hat einen Schmerzpegel erreicht, der eigentlich erst für die letzten Rennstunden vorgesehen war.

In der nächsten Runde werde ich noch langsamer – ich beginne zu grübeln:
Macht es Sinn, hier um Plätze zu kämpfen, wenn ich nicht konkurrenzfähig bin?
Muss ich mir oder anderen noch etwas beweisen?
Und wenn ja – 8,5 Stunden lang?
Oder sollte ich einfach auf meinen Körper hören, der mir ganz klar sagt, dass er heute keine 12 Stunden auf dem Bike sitzen will?

Ich beende das Rennen nach dieser Runde. Natürlich sind alle enttäuscht und angefressen.
Ich verkrieche mich in den Camper.

Das Leben schreibt seine eigenen Pläne

Es scheint trotzdem richtig gewesen zu sein, jetzt hier zu sein:
Meine jüngste Tochter sitzt weinend mit Halsschmerzen da – die Große war diese Woche schon krank, jetzt hat es auch sie erwischt. Also: Kräutertee kochen, Medikamente geben.

Kurz darauf klagt Pamela über heftige Bauchschmerzen – vielleicht der Blinddarm? Während das Rennen weiterläuft, beginne ich in Windeseile alles zusammenzupacken, für den Fall, dass wir ins Krankenhaus müssen.

Glücklicherweise beruhigt sich alles innerhalb der nächsten Stunde: Mayla geht es besser, Pamela ist wieder auf den Beinen. Ich gönne mir nun ein Mittagsschläfchen, Currywurst mit Pommes und die anstehende Tour-de-France-Etappe.

Dumm oder mutig?

Ich mache diesen Langstrecken-Ultralongdistance-Kram ja schon einige Jahre.
Ich weiß genau: Nach einem Rennen brauche ich mindestens sechs Wochen zur Erholung und Vorbereitung auf das nächste. In Topform vielleicht vier.

Jetzt stehe ich nur zwei Wochen nach dem kräftezehrenden 24h-Stöffelrace wieder am Start – ich hätte wissen müssen, dass mein Körper noch nicht bereit ist.
War das dumm?

Vielleicht.
Aber es gibt da noch eine andere Geschichte:
Am 30. März 2025 steht fest – das 12h-Rennen in Külsheim findet nur statt, wenn bis zu diesem Tag 200 Anmeldungen eingehen. Auf der Meldeliste: 198.
Ich melde mich an – und rette damit zusammen mit einer weiteren Anmeldung das Rennen.

Zu diesem Zeitpunkt war das Stöffelrace noch gar nicht geplant.

Ja, im Nachhinein mag es dumm gewesen sein.
Aber weil ich gemeldet war, wollte ich mutig sein – es zumindest versuchen.
Vielleicht hätte ich ja überraschend einen Sahnetag erwischt und wäre in die Top 10 gefahren.
So aber bin ich nach 3,5 Stunden ausgestiegen.

Und doch nicht vorbei

Es ist kurz nach 17 Uhr. Pogi und Jonas haben sich bei der Tour gerade aus dem Leben getreten, und ich hänge noch immer etwas angeschlagen im Camper.
Ich sehe die erschöpften Fahrer vorbeiziehen, während meine Mädels mit ihren Wasserpistolen in Action sind.

So will ich nicht aufhören.

Ich raffe mich auf, krame meinen zweiten Satz Kleidung heraus und steige wieder aufs Bike. Meine Crew schaut irritiert.
„In ’ner Stunde brauch ich die nächste Flasche“, sage ich – und starte mein Rennen neu.

Natürlich ist das Rennen gelaufen. Ich fühle mich nicht besser und bin auch nicht schneller als heute Morgen.
Aber darum geht’s nicht.

Zurück im Rennen

Ich kehre auf Platz 52 ins Rennen zurück und werde in den kommenden Stunden noch 20 Plätze gutmachen.
Kurz vor 21 Uhr rolle ich über den Zielstrich – und schaffe es in meiner Altersklasse noch in die Top 20.

Da Pamela und Mayla noch angeschlagen sind, packen wir direkt zusammen und treten spontan die Heimreise an. Um 1:30 Uhr nachts sind wir wieder zu Hause.

Ich hatte eigentlich für kommendes Wochenende noch ein Rennen in den Vogesen geplant.
Aber ich werde meinem Körper nun die Zeit geben, sich zu erholen.

Happy ride
Euer Daniel

Leave a Reply