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Was für ein Triathlonspektakel am Dreiweiberner See in der Lausitz. Da schaut die ganze mediale Triathlonwelt nach Davos und der eigentlich große Sport findet irgendwo im Nirgendwo mitten in Sachsen statt. 

Aber erstmal von vorne. Der KnappenMan bietet am Samstag eine Langdistanz sowie Mitteldistanz und am Sonntag die kürzeren Sprint und olympischen Distanzen an. Das Ganze selbstverständlich unter Coronabedingungen, dazu aber später mehr. Ich war für die Langdistanz(3,8-180-42km) gemeldet und es sollte eigentlich mein diesjähriger Saisonabschluss werden. Manchmal kommt es eben anders als man denkt und ich gehörte zu den 130 glücklichen Startern, die dieses Jahr überhaupt in das Vergnügen kommen würden eine Langdistanz machen zu können.

Start am Samstag heißt Startunterlagen Abholung am Freitag Abend. Nach der Arbeit ging es mit dem Auto Richtung Hoyerswerda. Nach einigen Staus sind wir gegen 17 Uhr angekommen und ich konnte noch einen Teil der Radstrecke abfahren. Die Startunterlagenabholung war dann schon die erste Coronahürde. Eine Dreiviertelstunde Schlange stehen ist nicht ganz so optimal gelöst. Das Rad wird beim KnappenMan erst am Raceday eingecheckt, so dass wir es zumindest noch vor Ladenschluss in Hoyerswerda zum Supermarkt geschafft haben, um uns etwas zu essen zu besorgen. Falls ihr auch mit einem Start in der Lausitz liebäugelt kann ich euch wärmstens die Gästewohnungen der Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda empfehlen. (Das zweite OG. stellt zumindest nach dem Wettkampf eine schöne Herausforderung dar) 

Um 4:30 Uhr klingelt der Wecker. Ich bin schon seit über einer Stunde wach und wälze mich im Bett hin und her. An Schlaf war die letzten Nächte kaum zu denken. Um 7:01 Uhr wird für mich der Start sein. Schnell unter die Dusche und rein in den Wettkampfanzug. Die Flaschen habe ich schon am Tag vorher befüllt und in den Kühlschrank gelegt. 25 AerobeeHoniggels und eine halbe Büchse Gatorade Getränkepulver mussten dran glauben. Coronahürde Nummer zwei wird heute die Verpflegung auf der Wettkampfstrecke. Alle 30km beim Rad kann man sich Selbsverpflegung deponieren, oder eben anhalten und seine Flaschen am Rad auffüllen lassen. Ob ich dafür Zeit haben werde? Beim Laufen gab es immerhin alle 5km einen Verpflegungspunkt mit Wasser/Iso/Cola. Gels oder dergleichen wird es nicht geben.

Jetzt wird aber erstmal gefrühstückt. Ich liebe ja meinen Erfurter Bioland Honig der Stadtimkerei Schröder, um 5 Uhr morgens kostet es mich dann aber doch etwas Überwindung die vier Scheiben Honigtoast mit Leitungswasser herunterzuwürgen. Der nächste Schreck kommt dann beim Bestücken des Fahrrades. Normalerweise habe ich während der Langdistanz immer Powerbar Gummibärchen in der Nutritionbox dabei. Leider habe ich aus Versehen nur zwei statt drei Packungen eingepackt. Dann müssen eben die Katjes Gummibärchen aushelfen die noch dabei sind.

Mit dem Auto von Hoyerswerda zum Dreiweiberner See sind es circa 10 Fahrminuten. Parken kann man direkt beim Start auf einer abgesperrten Landstraße. Als wir um 5:30 Uhr ankommen ist es noch stockdunkel. Das Einchecken geht reibungslos und schnell. Um den Mindestabstand in der Wechselzone zu wahren wurde jedem Starter sein Platz zugewiesen und man hat ausreichend Platz zum Nachbarn. Ein Luxus den der Veranstalter gerne beibehalten kann.

Beim Deponieren des Rades dann der nächste Schreck. Beim Transport ist mein Schaumstoffüberzug bei den Bremsen gerissen und der Blib der Schaltung schaut heraus. Schnell zum Bikepoint die mir spontan mit Isolierband aushelfen.

Der Wechselplatz ist eingerichtet. Jetzt schnell rein in den Neo (zumindest ein Mal dieses Jahr hatte ich ihn schon für 20 Minuten an) und ab zum Schwimmstart.

Vor mir liegen 3,8 km pures Schwimmvergnügen in einem 21‘C warmen/kalten See, aufgeteilt auf zwei Runden. Mit Grüßen der Frau Corona sah die Startaufstellung vor, dass jeweils Gruppen à 30 Athleten starten. Zu erst die Staffelschwimmer und dann kam schon meine Startwelle, jeweils eine Minute später. Jetzt noch schnell ein Aerobee Liquid-Gel reindrücken, dann kann es auch los gehen.

Ich stehe in der ersten Reihe, die Staffelschwimmer sind gerade gestartet. Noch etwas Arme kreisen, schon läuft der Countdown für die letzten Sekunden und ab geht’s. Wie es sich gehört werden die ersten Meter auf Anschlag geschwommen. Auch mal nicht schlecht das Feld anzuführen. Nach 100m muss ich mir aber doch eingestehen, dass andere einfach besser zum Schwimmen geeignet sind als ich Bleiente. Die Bojen des Dreieckkurses sind sehr gut erkennbar und so langsam komme ich in meinen Schwimmrhythmus. 

So wie mein Vereinskollege Torsten es mir immer gepredigt hat: Strecken, hoher Ellenbogen, Drücken, Strecken, hoher Ellenbogen… Der kurze Landgang nach der ersten Runde ist gestrichen, gewendet wird direkt im Wasser. Es ist flach genug um kurz stehen zu bleiben und doch mal einen Blick auf die Uhr zu riskieren. 31 Minuten Wettkampfzeit sind verstrichen. Und da kommt auch schon der Krampf im hinteren Oberschenkel. Was für eine bescheuerte Idee mitten beim Schwimmen stehenzubleiben. Die zweite Runde geht mit leichten Seitenstechen, und gefühlt dutzenden Schwimmern die mich überholen, auch irgendwie rum. Nach einigen Metern über den Strand bleibt die offizielle Schwimmzeit bei 1:03:58 h stehen. Gar nicht so schlecht bei den wenigen Schwimmeinheiten dieses Jahr.

Auf geht’s zum Rad und raus aus dem Neo. 1:59 Minuten beim Wechsel liegen gelassen. Sebastian Guhr (wenn er nicht als Profi startet dann in meiner AK) wechselt mit mir aufs Rad und in gehörigem Abstand halte ich mich an sein Hinterrad. 230 Watt sind zwar etwas zuviel für mich, dass wird aber schon irgendwie passen. Wir haben 6 Runden à 30km vor uns. Neben meiner mit Gel gefüllten Flasche habe ich noch drei 800ml Flaschen Iso dabei. Der Plan ist nach 3 Runden den Umweg an den Verpflegungspunkt zu fahren und die Flaschen zu wechseln. 

Die erste Runde ist nach 43 Minuten geschafft. Jetzt fängt das Kopfrechnen an. 6×43 macht… 4:18 h. Wäre doch eigentlich eine geile Zeit, auch wenn jede Runde circa 1,5 Kilometer zu kurz ist. Also auf geht’s auf Runde zwei und einfach das Tempo halten. 

So langsam kehrt Ernüchterung ein. In der dritten Runde bin ich glücklich, wenn noch eine 2 vorne bei der Wattzahl steht. Sollte ich tatsächlich überzockt haben? Habe ich mich vielleicht zu wenig verpflegt? Ach was solls, dass ist wohl einfach ein Tief, gleich geht es wieder bergauf. Just in diesem Moment stehen meine Eltern in einer Kurve mit einem selbstgebastelten Schild und feuern mich lautstark an. Die nächsten Kilometer geht es mit einem breiten Grinsen weiter. 

Die Radrunde sieht aus wie ein Ballon mit Schnur, wobei der runde Part einmal um den Scheibesee geht. So langsam merkt man sich wo die gut markierten Wurzelschäden im Asphalt sind, man wird aber trotzdem ordentlich durchgerüttelt. 

😉

Über die Hälfte ist geschafft. Von dem massig Honig aus der Flasche wird mir aber leicht übel auf dem Rad. Soll ich vielleicht doch meine Flaschen auffüllen, oder reicht die letzte verbliebene für die zwei kommenden Runden? Ach das wird schon irgendwie gehen. Wer bremst/stehenbleibt verliert. 

Meine Freundin steht am Streckenrand, jongliert mit Zwischenzeiten, Rundenanzahl, Platzierungen und dem Fotopapperat. So langsam bin ich echt im Tunnel. Bin ich froh, wenn der Quatsch hier rum ist. Das mache ich nie wieder so etwas. Ich bin froh, wenn ich noch 160 Watt treten kann. An einen Marathon will ich gar nicht erst denken. Die letzten Kilometer auf dem Rad wackelt alles vor meinen Augen und sieht verschwommen aus. Ich will einfach nur noch runter von dem Bock.

Die Wechselzone sieht noch ziemlich leer aus. 4:26:24 h Radzeit reicht für die 10. schnellste Radzeit des Tages. Das Radfahren ist erstmal abgehakt. Nur weil sich das Radfahren schrecklich anfühlt können ja noch die Laufbeine irgendwo sein. 

Im Nachhinein wird mir gesagt, dass ich auf den ersten Metern der Laufstrecke richtig fahl und grau im Gesicht aussah. Was sind denn aber schon vier Laufrunden, wenn man schon 2+6 Runden schwimmend und radelnd absolviert hat. Jede Runde à 10,5 km hat zwei Verpflegungspunkte. In der Wechselzone hatte ich mir meine Gelflasche und eine 500ml Flasche Iso deponiert. In dem einen Verpflegungspunkt liegen weitere 3 Isoflaschen für die kommenden Runden parat. Um mich herum ist niemand. Es fühlt sich an, als würde ich ganz alleine eine Runde um den See joggen. Circa bei Kilometer zwei sehe ich Sebastian am Streckenrand stehen. Wegen Rückenbeschwerden muss er leider aufgeben. Ob jetzt ein Sieg in der Altersklasse noch drin ist?

Das Rechnen im Kopf geht weiter. Wenn ich den Marathon unter 3:25 h laufe könnte ich insgesamt unter 9 Stunden bleiben. Wie geil wäre das denn?!? 

😄

Also nur noch einen kontrollierten 4:50er Schnitt nach Hause trotten und die Katze ist im Sack. Die erste Runde läuft richtig easy. Erstmal etwas Puffer auf den 4:50er Schnitt rauslaufen und die Kilometer in 4:30-4:45 min/km abspulen. Was man hat, hat man. 

So oft ich dieses Tempo auch schon im Training gelaufen bin, so selten habe ich das nach 4:30 h auf dem Rad gemacht. Wer braucht schon eine spezifische Vorbereitung, wenn dieses Jahr eh alle Wettkämpfe abgesagt werden…

In der dritten Runde bekomme ich Probleme Luft zu bekommen, meine Bauchdecke verkrampft und ich muss mich an den Streckenrand setzen. Erstmal in Ruhe durchatmen. Die Pace ist mittlerweile auf 5:10 min/km abgesunken. Nach der kurzen Pause, die ich gezwungenermaßen 10km später wiederholen musste läuft es wieder etwas flüssiger. 

8:01 Stunden ruft mir meine Freundin zu! Ich biege auf die letzte Runde. 10,5km. Einmal die Eggstedt-Runde. Die Standardhausrunde. Das wird klappen. Ich bin zu 100% überzeugt das ich das schaffen werde. Die Platzierung und alles andere ist mir egal. Vor mir sehe ich einen Sportler im roten Trikot. Hat er mich nicht vor ein paar Minuten überholt? Irgendwie muss ich das Tempo halten. Dich kriege ich noch. An der Verpflegungsstelle bei Kilometer 5 braucht er zu lange und ich bin an ihm dran. Ich habe nur Zeit mir einen halben Schluck Cola zu gönnen. Einen Kilometer später setze ich eine Attacke um mich von ihm zu lösen, aber was ist das? Ich bekomme Seitenstechen und muss mein Tempo wieder auf 5:00 min/km drosseln. Wir laufen nebeneinander und stacheln uns gegenseitig an. 

Der letzte Kilometer ist nach 4:30 Minuten geschafft. Noch 200m. Jetzt geht es um alles. Irgendwie kann ich noch eine 3:30er Pace aus meinen Beinen herausquetschen und den Kontrahenten stehen lassen. Im Ziel stellt sich heraus, dass er 3 Startwellen nach mir beim Schwimmen gestartet ist und seine Gesamtzeit dementsprechend besser ist, aber das ist völlig egal. Dieser Zielsprint war alleine für meinen Kopf. Danke an meinen Mentalcoach Jürgen Schempp, der mir in dieser Hinsicht immer wieder die Augen öffnet. 

Endlich im Ziel. Was für ein Bad der Gefühle. Die Uhr ist nach genau 8:50:59 h stehen geblieben. Der 8. Gesamtplatz und Sieg der Altersklasse sind nur nebensächlich. Auch die Laufzeit über den Marathon von 3:17:20 h (11. schnellste Zeit des Tages) ist unwichtig. Das Ziel unter 9 Stunden zu bleiben war ein riesengroßer Traum von mir. Ich glaube ich war noch nie nach einem Wettkampf so glücklich wie nach dem KnappenMan. 

Vielen Dank an meine Eltern und Anne für das super Anfeuern und auch allen anderen die von zu Hause aus mitgefiebert haben. 

Ein großer Dank geht selbstverständlich auch an meine Sponsoren Stadtimkerei Schröder, Aerobee, DOWE-Sportswear und Powerbreather. Vielen Dank, dass ihr mich auf meinem sportlichen Weg begleitet. Hoffen wir auf eine kommende Saison mit vielen sportlichen Höhepunkten.

2021 wird wieder angegriffen!

Ben

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